Thälmann ist Antifa!
Veröffentlicht
am 19. August 2019
Rede von Ulla Jelpke zum 75.
Todestag von Ernst Thälmann auf der gemeinsamen Gedenkfeier der Thüringer
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und der Lagerarbeitsgemeinschaft
Buchenwald-Dora am 18. August vor dem Krematorium der KZ-Gedenkstätte
Buchenwald
Anrede,
wir haben uns heute hier vor dem
Krematorium in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald versammelt, um des vor 75 Jahren
von den Faschisten ermordeten Ernst Thälmann zu gedenken.
Auch elf Jahre in Einzelhaft
konnten die Überzeugung des Kommunisten und Antifaschisten Thälmann nicht
brechen.
Thälmanns Gradlinigkeit und sein
Mut, sein Klartext gegenüber Ausbeutern, Kriegstreibern und Faschisten, sein
Klasseninstinkt und seine Volksnähe können uns ein Vorbild sein!
Anrede,
Wir leben heute wieder in einer
Zeit, in der nationalistische, völkische und faschistische Positionen und
Parteien weltweit auf dem Vormarsch sind.
Hetze gegen Geflüchtete, Migranten
und Muslime kommt längst nicht mehr nur vom rechten Rand. Der braune Hass ist
in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Insbesondere der
Bundesinnenminister Seehofer befeuert diesen Hass mit flüchtlingsfeindlichen
Kampagnen, die letztlich nur der AfD in die Hände spielen.
Wer hätte gedacht, dass in der
liberalen Wochenzeitung ZEIT einmal pro und contra darüber debattiert wird, ob
es richtig ist, Flüchtlinge aus Seenot zu retten oder – ich zitiere – „soll man
es lassen“? Die Verrohung ist wahrlich in der Mitte der Gesellschaft
angekommen!
Wer hätte vor ein paar Jahren
gedacht, dass es einmal als Straftat verfolgt wird, Menschen aus Seenot zu
retten? Doch genau das geschieht heute in Italien. Die mutige Kapitänin Carola
Rackete ist als Schleuserin angeklagt, weil sie Flüchtlinge in einen rettenden
Hafen gebracht hat.
Flüchtlingshelfer werden nicht nur
in Staaten wie Italien oder Ungarn mit ihren extrem rechten Regierungen
verfolgt. Auch in Deutschland droht inzwischen Behördenmitarbeitern, die
Abschiebetermine bekanntgeben, eine Haftstrafe.
Zudem häufen sich in Deutschland
Morddrohungen gegen Flüchtlingshelfer, Journalisten und Politiker, die sich für
eine humanitäre Flüchtlingspolitik einsetzen.
Der feige faschistische Mord am
Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat gezeigt, dass es nicht bei
Drohungen bleiben muss.
Anrede,
Erschreckend ist, dass „Antifa“
plötzlich bis in liberale Kreise hinein als Feindbild und Schimpfwort gilt.
US-Präsident Donald Trump will
„die“ Antifa als „Terrororganisation“ verbieten.
Auch die AfD in Deutschland fordert
das – ungeachtet der Tatsache, dass es „die Antifa“ als einheitliche
Organisation gar nicht gibt.
Antifa ist vor allem ein Ausdruck
für eine antifaschistische Gesinnung – und die sollte doch für jeden Demokraten
und jede Demokratin eine Selbstverständlichkeit sein!
In solch bedrohlichen Zeiten ist es
wichtig, sich an Persönlichkeiten wie Thälmann zu erinnern.
Denn Thälmann kann mit Fug und Recht
als der eigentliche Begründer der Antifa bezeichnet werden!
Genauer gesagt natürlich der
Antifaschistischen Aktion, die sich Anfang der 30er Jahre schon unter dem heute
so bekannten Symbol mit den zwei Fahnen im Kreis sammelte.
Heute sind es oft eine rote und
eine schwarze Fahne, die für das Bündnis von autonomen Antifaschisten mit
sozialistischen und kommunistischen Antifaschisten stehen.
Anfang der 30er Jahre waren beide
Fahnen noch rot, sie symbolisierten das Bündnis des kommunistischen und des
sozialdemokratischen Flügels der Arbeiterbewegung, das die Faschisten stoppen
sollte.
Zur Bildung der Antifaschistischen
Aktion rief Thälmann am 25. Mai 1932 auf dem Maiplenum der KPD auf. Ziel war
es, mit allen Mitteln die Bildung einer Nazi-Regierung zu verhindern. Thälmann
forderte, die Antifaschistische Aktion müsse – Zitat – „dem Hitlerfaschismus
den Weg zur Macht verlegen“, „der Faschisierung Deutschlands Einhalt gebieten“
und „durch den organisierten roten Massenselbstschutz in breitester
Einheitsfront den Mordterror des Hitlerfaschismus brechen.“
An die Sozialdemokraten gewandt
hieß es: „Schlagt in die Bruderhand ein, die die Kommunistische Partei euch
bietet!“
Thälmann schlug vor,
Einheitsausschüsse auf breitester Grundlage, Schutzformationen und andere
Gremien zu bilden, die ein möglichst breites antifaschistisches Bündnis
verwirklichen sollten.
Der Aufruf war ein Erfolg!
Innerhalb von wenigen Wochen wurde die Antifaschistische Aktion zu einer
deutschlandweiten organisierten Bewegung mit Massencharakter.
Neben Kommunisten und Parteilosen
fanden sich zahlreiche Sozialdemokraten, Gewerkschafter und aktive Christen in
ihren Reihen.
Arbeiter unterstützten die
Antifaschistische Aktion ebenso wie Bauern, Intellektuelle und
Mittelschichtsangehörige.
Der Erfolg der Antifaschistischen
Aktion zeigte sich bei den Reichstagswahlen vom 6. November 1932. Die
Nazipartei verlor fast 6 Millionen Stimmen und geriet in eine Krise. Die KPD
dagegen erlangte ihren größten Einfluss. Sie errang fast 6 Millionen Stimmen.
In Berlin etwa wählte jeder dritte Wähler kommunistisch.
Dass es der Arbeiterbewegung danach
nicht gelang, ihrerseits in die Offensive zu kommen, die Nazis zu schlagen und
dem Aufstieg des Faschismus ein Ende zu bereiten, hat verschiedene Gründe.
Sektiererische Fehler der
Kommunisten müssen hier ebenso genannt werden wie die legalistischen Illusionen
und die strikt antikommunistische Positionierung der sozialdemokratischen
Führer, die den antifaschistischen Kampf behinderten.
Rückblickend können wir sagen: die
Antifaschistische Aktion hat den Prozess der Faschisierung zumindest
verlangsamt. Der 1932 von Thälmann mit der Antifaschistischen Aktion
eingeschlagene Weg war grundsätzlich richtig. Und wir sollten daraus Lehren
ziehen für den antifaschistischen Kampf heute!
So hatte Ernst Thälmann niemals die
Illusion, dass der bürgerlich-kapitalistische Staat ernsthaft gegen die
Faschisten vorgehen könnte. Denn er sah, dass die faschistischen Schläger ja
als Hilfstruppen im Schoße dieses Staates genährt und geschützt wurden.
Auch in der Bundesrepublik gibt es
kaum eine faschistische Gruppierung oder Terrorzelle, bei der nicht der Staat
seine Hände im Spiel hat.
- Schon das
Oktoberfestattentat 1980 wies die Handschrift der NATO-Geheimtruppe Gladio
auf.
- Das erste
NPD-Verbotsverfahren scheiterte 2003 an der Durchsetzung der
rechtsextremen Partei mit Geheimdienst-V-Leuten. „Mangelnde Staatsferne“
nannten die Karlsruher Richter das zu Recht.
- Und über dem NSU
spannten die Verfassungsschutzämter nach allem, was wir wissen, ein
engmaschiges Netz, ohne die Morde zu verhindern.
Es gäbe unzählige weitere Beispiele
für diesen braunen Sumpf aus Nazis und Geheimdienst. Vergessen wir nicht: bis
vor einem Jahr stand mit Hans-Georg Maaßen ein Mann an der Spitze des
Inlandsgeheimdienstes, der aus seiner Nähe zu AfD-Positionen keinen Hehl macht.
In Bundeswehr und Polizei werden
mit schöner Regelmäßigkeit rechtsextreme Vorfälle entlarvt – und sofort wieder
als vermeintliche „Einzelfälle“ verharmlost.
Prepper-Netzwerke, denen auch
Elite-Soldaten, Polizisten und Verfassungsschützer angehören, horten gestohlene
Munition für den Tag X. Und sie erstellen Feindes- und Todeslisten mit Namen
von linken und demokratischen Politikern und Journalisten.
Auf eine solche Polizei und einen
solchen Staat ist wahrlich kein Verlass im Kampf gegen Neonazismus und
Faschismus! Da müssen wir schon selbst aktiv werden!
Eine Lehre der Antifaschistischen
Aktion ist hier, dass der antifaschistische Kampf vor allem außerparlamentarisch
geführt werden muss. Dort, wo die Nazis, AfD oder Pegida aufmarschieren,
Infostände aufbauen, Veranstaltungen durchführen, müssen sie auf Protest und
Gegenwehr stoßen. Wir müssen uns selbst organisieren und uns selbst schützen!
In den Parlamenten können und
müssen wir dafür eintreten, die Bedingungen für außerparlamentarisches
antifaschistisches Handeln möglichst günstig auszugestalten.
Doch Gesetzesverschärfungen und
Grundrechteabbau unter dem Vorwand des Kampfes gegen rechten Terror müssen wir
entschieden ablehnen. Denn alle diese Gesetzesverschärfungen werden
erfahrungsgemäß auch – und nicht zuletzt! – gegen linke und antifaschistische
Kräfte zur Anwendung kommen.
Anrede,
Es ist wichtig, die ganze breite
antifaschistischer Selbstorganisationen anzuerkennen. Vom runden Tisch gegen
Rassismus bei der Gemeinde unter Einschluss des Bürgermeisters und Pfarrers bis
zur autonomen Antifa.
Alle Formen antifaschistischer
Aktivität haben ihre Legitimität – Ausgrenzung darf es in keine Richtung geben!
Das heißt vor allem: keine Distanzierung von der autonomen Antifa – Widerstand
gegen die Wiedergänger der Faschismus ist auf allen Ebenen notwendig!
Antifaschistische Bündnisse müssen
auf einer möglichst breiten Grundlage stehen. Das Bündnis „Unteilbar“ geht hier
in die richtige Richtung. Dort sind eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher
Organisationen, Sozialverbände, linker und demokratischer Parteien,
Gewerkschaften, kirchlicher Gruppen und Migrantenverbände vereint im Kampf
gegen rechts, aber auch gegen soziale Ausgrenzung. Am kommenden Sonnabend ruft
„Unteilbar“ zur nächsten bundesweiten Großdemonstration in Dresden auf. Im
Aufruf heißt es:
„Gemeinsam stellen wir uns gegen
Diskriminierung, Verarmung, Rassismus, Sexismus, Entrechtung und
Nationalismus! Wir lassen nicht zu, dass
Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden und
ergreifen die Initiative“ – Dem kann ich mich nur
anschließen!
Antikapitalismus oder das
Bekenntnis zum Sozialismus darf keine Eintrittshürde für breite Bündnisse gegen
rechts, gegen die AfD und die Neonazis sein. Aber die konsequent linken,
antikapitalistischen und sozialistischen Kräfte in solchen Bündnissen dürfen
sich auch nicht im Namen der Einheit den Mund verbieten und die Hände binden
lassen.
Wir sollten nicht bei bloßen
moralischen Appellen gegen Rassismus und Faschismus stehen zu bleiben. Wir
müssen vielmehr aufzeigen, dass die Wurzeln dieser Übel im Kapitalismus selbst
liegen.
Darum ende ich mit den berühmten
Worten aus dem Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald von 1945:
„Die Vernichtung des Nazismus mit
seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und
der Freiheit ist unser Ziel.“
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